Kein Sex ist auch okay


Inhaltswarnung: Sex, sexuelle Diskriminierung, Erwähnung von sexualisierter Gewalt

Text als Hörfassung: ▶️ Kein Sex ist auch okay.mp3 (4 min 25 s)

Portrait Stephanie Henkel Ückück bearbeitet asexuell Originalfoto von Raphael Steppert

Sex – die schönste Nebensache der Welt? Ein Klischee, das nicht auf alle zutrifft.

Heute, am 6. April, ist internationaler Tag der Asexualität. Unter Asexualität wird allgemein die Abwesenheit von sexueller Anziehung zu anderen Personen, ein generelles Desinteresse an Sex oder schlicht ein fehlendes Bedürfnis nach Sex verstanden. Wie jede Sexualität handelt es sich auch bei der Asexualität um ein Spektrum (auch Ace-Spektrum genannt). So gibt es asexuelle Personen, die gar keinen Sex haben, nur mit sich selbst sexuell aktiv sind oder trotzdem einvernehmlichen Sex haben. Auch können sich viele asexuelle Menschen eine romantische Beziehung vorstellen und zum Teil auch ein Bedürfnis nach körperlicher Nähe, wie z.B. Kuscheln oder Händchenhalten, verspüren – nur eben nicht nach Sex. Asexualität ist also in gewisser Hinsicht das Gegenteil der Aromantik. Aromantische Personen verspüren keine romantischen Gefühle für andere Personen, können jedoch durchaus sexuelle Anziehung empfinden. Wenn ihr mehr zum Thema Aromanitk lesen wollt, empfehle ich euch diesen Artikel der Queeraten.

Mit im Zusammenhang zu Asexualität ist Grey-Sexuality, die "graue Sexualität", zu nennen. Also all die Schattierungen, die zwischen Asexualität und Sexualität liegen. Denn natürlich gibt es nicht nur Schwarz und Weiß, sondern auch Grautöne dazwischen. Das zeigen schon die Farben der Asexuellen-Flagge:

Eine der bekanntesten Gruppen im Spektrum der A- und grauen Sexualität sind demisexuelle Personen, zu denen ich auch gehöre. Diese empfinden nur zu Personen eine sexuelle Anziehung, zu denen sie bereits eine Bindung aufgebaut haben.

Asexuelle Personen werden in unserer Gesellschaft oft nicht wahrgenommen oder falsch verstanden. Das geht bei der Familie los, die Druck macht, wann denn endlich mal ein·e Partner·in mit nach Hause gebracht wird, bis hin zum freundschaftlichen Umfeld, dass immer wieder fragt, ob es nicht doch heimliche Eroberungen gibt oder unangenehme Angebereien der anderen, mit wem sie alles schon intim waren.

Oft gibt es auch Vorurteile, asexuelle Personen wären einfach nur verklemmt, prüde oder sehr konservativ. Am Schlimmsten sind Unterstellungen, wie die, dass Asexuelle psychische Probleme hätten oder bereits Erfahrung mit sexualisierter Gewalt gehabt haben müssten, weil es "unnatürlich" wäre, keinen oder einen schwachen Sexualtrieb zu haben. Dabei kann eine asexuelle Neigung eben so wie jede andere sexuelle Ausrichtung unabhängig von sexuellen Erfahrungen existieren. Asexuelle haben einfach schlicht kein oder ein vermindertes Interesse am Thema Sex. Das ist kein Mangel oder etwas, was behandelt werden müsste, sondern auch ein Teil der menschlichen Sexualität, wie alle anderen sexuellen Ausrichtungen auch.

Ich empfinde es für mich so: Asexualität oder in meinem Fall Demisexualität können das Leben auch ein ganz schönes Stück einfacher machen. Ich bezeichne meine Demisexualität gerne als Superkraft, die mich vor dem hormonellen Chaos oder schiefgelaufenen Bettgeschichten, die andere durchmachen, schützt.

Sexualität ist eben für jede·n etwas anderes und es gibt keinen Grund, Personen, die andere sexuelle Vorlieben als mensch selbst haben, zu verurteilen, ihnen vorzuschreiben, wie sie zu sein haben oder ihnen das Thema Sex aufzudrängen. Deshalb sind solche Tage wie heute gut, um uns immer wieder vor Augen zu führen, wie vielfältig wir Menschen sind und um gemeinsam ins Gespräch zu kommen.

Denn alles ist beim Sex erlaubt, solange es einvernehmlich und mit aktiver Zustimmung zwischen den Beteiligten geschieht – sogar, dass eben nichts geschieht!

06.04.2022